Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: die wichtigsten Neuerungen
Am 1. Januar 2013 trat das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in Kraft. Die Entscheidungszuständigkeit wurde im Kanton Bern von den Gemeinden (Vormundschaftsbehörden) auf elf kantonale Kindes- und Erwachsenen Schutzbehörden (KESB) übertragen.
Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht bringt verschiedene Änderungen mit sich: Neu ist zum Beispiel die Patientenverfügung im Zivilgesetzbuch verankert. Somit ist sie national geregelt und ist abgesehen von gesetzlich umschriebenen Ausnahmen grundsätzlich verbindlich. In der Patientenverfügung hält der Patient fest, welchen ärztlichen Massnahmen er im Fall einer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht. Er kann auch eine natürliche Person, also zum Beispiel einen Freund, bestimmen, der mit der behandelnden Ärztin die medizinischen Massnahmen bespricht. Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen, damit sie verbindlich ist. Marco Zingaro, Dozent an der Berner Fachhochschule, empfiehlt, die Patientenverfügung alle zwei Jahre zu überprüfen und allenfalls anzupassen.
Das neue Gesetz sieht neben der Patientenverfügung auch einen Vorsorgeauftrag vor. Die Patientin bestimmt eine natürliche oder juristische Person, die im Falle von Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder Vermögenssorge übernimmt und die Patientin allenfalls im Rechtsverkehr vertritt. Der Vorsorgeauftrag muss ebenfalls schriftlich (aber handschriftlich!) sowie datiert und unterzeichnet vorliegen. Er sollte beim Zivilstandsamt angemeldet werden, da die Erwachsenenschutzbehörde im Fall einer Urteilsunfähigkeit dort nachfragen muss, ob ein solcher Auftrag vorliegt. Für Spitex-Organisationen bedeutet die neue Rechtslage: Sie informiert Patientinnen und Patienten sowie Angehörige bei Bedarf über die Möglichkeit von Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag. Angehörige können entlastet werden, wenn sie wissen, dass eine Vertretungsfunktion nicht zu ihren Pflichten gehört.
Weitere Neuerung sind vor allem begrifflicher Natur. Neu spricht man nicht mehr von Vormundschaft, sondern von Beistandschaft. Betroffene werden nicht mehr entmündigt, sondern erhalten Beistandspersonen zugewiesen, wenn sie einen Schwächezustand aufweisen und Begleitung oder Vertretung benötigen. Die Beistandschaft wird von der Erwachsenenschutzbehörde errichtet. Weiter spricht man nicht mehr von der fürsorgerischen Freiheitsentziehung sondern von der fürsorgerischen Unterbringung. Zuständig für die Einweisung sind die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde sowie Ärztinnen und Ärzte. Gefährdungsmeldungen an die Erwachsenenschutzbehörde können von allen Personen eingereicht werden, zum Beispiel von Spitex-Fachpersonal, das eine Betreuungssituation zu Hause nicht mehr verantworten kann.
Wie es gesetzesüblich ist, hat auch das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht viele Ausnahmen und mehrere Wege führen zum selben Ziel. Eine detaillierte Information ist empfehlenswert. Siehe www.kokes.ch.
Der Fachbereich soziale Arbeit an der Berner Fachhochschule bietet ausserdem Weiterbildungen an zum Thema Kindes- und Erwachsenenschutz: www.soziale-arbeit.bfh.ch/kes
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