Haltung Spitex Kanton Bern zu zwei Motionen
Bei dieser Session stehen zwei Motionen zur Debatte, welche die Spitex bzw. die ambulante Pflegeversorgung betreffen. Nachfolgend unsere Position zu diesen Motionen.
Es geht um folgende Motionen
Motion 241-2017 Müller/Moser „Gemeinnützige Spitex-Organisationen – inhaltliche Klärung des staatlichen Versorgungsauftrags und wirtschaftliche Sicherung des ambulanten Pflegemodells“
Motion 051-2018 Striffeler-Mürset/Junker Burkhard/Ruchonnet „Zukunft Gesundheit: Förderung einer starken ambulanten Versorgung“
Ausgangslage
Am 23.11.17 wurde die Motion 241-2017 „Gemeinnützige Spitex-Organisationen – inhaltliche Klärung des staatlichen Versorgungsauftrags und wirtschaftliche Sicherung des ambulanten Pflegemodells“ eingereicht. Die Motion wurde aufgrund der Beratung des Entlastungsprogramms im November 2017 als dringliche Motion eingereicht. Die Dringlichkeit wurde abgelehnt, deshalb kommt die Motion erst jetzt in die Beratung. Die Regierung beantragt, die Motion abzulehnen. Aufgrund der Verschiebung gehen wir davon aus, dass ausschliesslich über die Ziffer 6 beraten wird.
Am 19.3.2018 wurde die Motion 051-2018 „Zukunft Gesundheit: Förderung einer starken ambulanten Versorgung“ eingereicht. Die Regierung ist bereit, die Ziffern 2 bis 5 als Postulat abzunehmen und die Ziffern 3 und 4 gleichzeitig abzuschreiben. Bei Ziffer 1 wird die Ablehnung beantragt.
Grundsätzliche Aussagen zur Versorgung in der ambulanten Pflege (Spitex)
- Es braucht alle Anbieter in der ambulanten Pflege. Dazu gehören die öffentliche Spitex, die private Spitex, die Freiberuflichen und die Heime (Wohnen mit Dienstleistungen).
- Eine leistungsgerechte Abgeltung bildet die Basis für eine gute Versorgung sowie für fairen Wettbewerb und Markttransparenz. Gleichzeitig ist die Sicherheit zu garantieren, dass alle Menschen im Kanton, Zugang zu den ambulanten Pflegeleistungen haben.
- Die exklusive Abgeltung der Leistung «Versorgungspflicht» – das heisst die Pflicht der öffentlichen Spitex, sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons Bern unabhängig von deren Wohnort und Bedarf ambulant zu versorgen – fällt bereits heute für die öffentliche Spitex zu tief aus. Vergleiche mit anderen Kantonen bestätigen die unterdurchschnittliche Abgeltung. Im Rahmen des Entlastungsprogramms 2018 soll der Betrag per 2019 zusätzlich um CHF 6 Mio. Franken gekürzt werden. Damit wird diese Leistungserbringung noch defizitärer. Die Existenz einiger Spitex-Organisationen steht auf dem Spiel. Mit Folgen für die Versorgung.
- Gewinne werden mit der sog. Restfinanzierung erzielt. Das sind Abgeltungen, welche alle Anbieter erhalten. Während private Anbieter diese Gewinne behalten und teilweise an ihre Aktionäre und (ausländische) Investoren verteilen können, benötigt die öffentliche Spitex diese, um die Unterdeckung in der Versorgungspflicht zu finanzieren. Allfällige Restgewinne bleiben im Gegensatz zu den privaten Anbietern im Betrieb und kommen den Klientinnen und Klienten zu Gute.
- Bei einer nicht kohärenten Finanzierung der Spitex-Leistungen (inkl. Versorgungspflicht) erfolgt ein teurer Kostentransfer zu Spitälern, Heimen und in die Ergänzungsleistungen.
Stellungnahme Spitex Kanton Bern zu den beiden Motion
Teilweise überschneiden sich die beiden Motionen in ihren Anliegen. Die öffentliche Spitex ist offen gegenüber dem Anliegen, dass alle Spitex-Organisationen Pflegeleistungen anbieten und eine Aufnahmepflicht leisten müssen. Gewisse Spezialleistungen wie Psychiatrie, Kinderspitex, Palliative Care etc. wie auch Wochenend- und Nachteinsätze sind aus unserer Sicht zwingend separat und der effektiven Leistung entsprechend abzugelten. Findet dies nicht statt, sind Marktverzerrungen die Folge und es besteht die Gefahr, dass Klienten/Klientinnen nicht mehr gezielt und effizient von den richtigen Fachleuten gepflegt werden. Weitere Rahmenbedingungen wie Perimeter sind zudem notwendig.
Ob die Auferlegung der Versorgungspflicht bzw. der Aufnahmepflicht an alle Anbieter gesundheitsökonomisch sinnvoll ist, ist allerdings zu bezweifeln. Alle Anbieter müssten die notwendigen und kostenintensiven Vorhalteleistungen bereitstellen. Fraglich ist auch, ob mit diesem Modell tatsächlich alle Menschen im Kanton Zugang zur gewünschten Leistung haben würden. Insbesondere in Randgebieten könnte eine Unterversorgung entstehen. Eine Aufgabenteilung zwischen öffentlicher und privater Spitex ist im Grundsatz effizienter. Bedingung ist jedoch, dass die Abgeltung der Versorgungssicherheit korrekt ausfällt. Mit der geplanten Reduktion von CHF 6 Mio. im Bereich der Versorgungspflicht ist dies nicht mehr der Fall.
Schlussfolgerung:
Die Spitex Kanton Bern kann die Haltung der Regierung zu den beiden Motionen bzw. den einzelnen Ziffern nachvollziehen und teilt diese weitgehend.
Die öffentliche Spitex ist offen gegenüber dem von der GEF geplanten, neuen Modell. Rahmenbedingungen und klare Spielregeln sind jedoch notwendig. Der gesundheitsökonomische Nutzen dieses Lösungsansatzes bleibt allerdings fraglich. Soll die öffentliche Spitex weiterhin die Versorgungspflicht wahrnehmen, ist diese leistungsgerecht abzugelten. Dies ist ab 2019 aufgrund der Einsparungen von CHF 6 Mio. pro Jahr per 2019 nicht mehr der Fall.