Stellenbesetzung: Dem Zufall entzogen
Der Einsatz von wissenschaftlich und psychologisch geprüften Verfahren bei der Personalselektion erhöht die Vorhersagekraft über den Person-Job-Fit. Die Eignung für eine bestimmte Stelle ist auch in der Pflege oberstes Ziel bei der Besetzung von Kaderstellen.
Das Gesundheitssystem der Schweiz steht in den nächsten zwei Jahrzehnten vor gewaltigen Herausforderungen, um sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht über genügend Personal zu verfügen. Die erhöhte Nachfrage beim Gesundheitspersonal erklärt sich laut dem Bericht des schweizerischen Gesundheitsobservatoriums im Auftrag der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirek¬toren (Obsan, 2009) vor allem durch folgende Entwicklungen:
Pensionierung von bisherigen Pflegenden, Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in Richtung anderer Branchen und Sektoren, das vollständige Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt sowie erhöhter Versorgungsbedarf der Bevölkerung (zum Beispiel aufgrund des steigenden Alters, welches einen Mehrbedarf an Pflegeleistungen zur Folge hat). Dazu kommen die stets komplexer werdenden Patientenbedürfnisse sowie die veränderten und gestiegenen Anforderungen an die Angebote der Gesundheitsinstitutionen. Soll das Niveau der heutigen Versorgung beibehalten werden, müssen laut Prognosen des Obsan im Gesundheitswesen bis ins Jahr 2030 zwischen 120000 und 190000 Personen rekrutiert werden. Gleichzeitig erweist sich die Rekrutierung von Gesundheitspersonal – insbesondere auf Kaderstufe – als immer schwieriger. Hauptsächlich Einrichtungen der Langzeitpflege haben je länger je mehr Mühe, qualifiziertes Pflegepersonal zu finden.
Professionelle Rekrutierung
Die meisten Stellen in der Pflege – und da sind auch Kaderstellen nicht ausgeschlossen – werden nach wie vor aufgrund des Bewerbungsdossiers und eines Gesprächs besetzt. Eine nur auf diesen Elementen basierende Entscheidung ist stark von subjektiven Faktoren geprägt. Die Institution erfährt vergleichsweise wenig über die sich bewerbende Person und diese wiederum erfährt kaum etwas über das Arbeitsumfeld. Das Resultat des Selektionsprozesses ist daher einigermassen zufällig. Trotz unsicherem Ergebnis ist dieses Vorgehen für das Unternehmen mit einem erheblichen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden.
Führungskräfte haben einen grossen Einfluss auf die Qualität der Versorgungsleistung und die Motivation der Mitarbeitenden. Es ist deshalb zentral, diese Positionen mit dafür geeigneten Personen zu besetzen. Neben hoher Fach- und Methodenkompetenz sind für eine Kaderposition erhebliche Sozialkom¬petenz und ein gutes Mass an persönlicher Reife und Resilienzstrategien gefragt. Sol¬che Eigenschaften erkennt man nur sehr beschränkt aus dem schriftlichen Bewerbungsdossier. In aller Regel reicht auch ein Bewerbungsgespräch dafür nicht aus. Frühere Tätigkeiten geben zwar Aufschluss über die an die Person gestellten Aufgaben, nicht aber über deren Erfüllung. Die Interpretation von Zeugnissen ist subjektiv geprägt; man liest, was man lesen möchte. Aus diesen Gründen gehören in anderen Berufen standardisierte, testgestützte Verfahren (sogenannte Assessments) bereits seit längerer Zeit zum Selektionsverfahren.
Diese objektive Vorgehensweise kann für jeden Betrieb individualisiert werden. Die Grundlagen dafür liefern die Stellenbeschreibung und der Anforderungskatalog. Damit kann auch die auf den Dossiers basierende Vorselektion relativ zügig abgewickelt werden. Die in der Endauswahl verbleibenden Bewerber erhalten die gleichen Chancen.
Unbefriedigende Kompromisse
Stehen für eine ausgeschriebene Stelle nicht genügend qualifizierte Personen zur Auswahl, besteht die Gefahr, die Anforderungen zu senken. Diese «Sie schaffen das schon»-Strategie ist für beide Seiten nicht selten mit grossen Opfern verbunden: Der Betrieb hat hohe Kosten für die Rekrutierung, Einarbeitung und Betreuung einer Person, welche die Stelle nicht lange behält und die Arbeitnehmerin macht eine schlechte Erfahrung, verliert Selbstvertrauen und wird unter Umständen sogar krank.
Für eine objektive und qualitativ hochstehende Personalselektion im Kaderbereich lohnt es sich deshalb, professionelle Unterstützung beizuziehen. Dabei ist es ein grosser Vorteil, mit Beratern zusammenzuarbeiten, welche selbst Berufserfahrung in der Pflege haben und über Fachwissen aus der Pflegewissenschaft, der Psychologie und der Führung verfügen. Damit wird gewährleistet, dass geeignete, der Branche angepasste und wissenschaftlich anerkannte Auswahlmethoden eingesetzt werden. Das Verständnis für die branchenspezifischen Faktoren erhöht zudem die Effizienz. Das Ziel des Beratungsprozesses ist es, mit Instrumenten aus der Managementpsychologie und nach heutigem wissenschaftlichem Standard die am besten geeignete Person für die ausgeschriebene Stelle zu finden.
Positive Rückkopplung
Sowohl die Alltagserfahrung als auch wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sich der professionelle, multimodale Ansatz bei der Stellenbesetzung von Kaderpersonen mehrfach lohnt. So wird erwiesenermassen durch eine Verbesserung der Personalwerbung und -auswahl auf Kaderstufe positiv Einfluss auf die Qualität der Pflege genommen (z.B. Reuschenbach, 2004). Die Anwendung empirisch geprüfter Auswahlmethoden, deren Nutzen und Praxistauglichkeit für das Pflegekader evaluiert wurden, stellt dabei einen wesentlichen Bestandteil des gesamten Prozesses dar. Indem dieser aufwendige Prozess ganz oder teilweise professionellen Beratern anvertraut wird, erhält man einerseits einen unabhängigen externen Blick, was zu maximaler Objektivität und damit zu einer hohen Sicherheit im Perso-nalentscheidungsprozess führt. Andererseits werden die Führungspersonen im zeitaufwendigen Selektionsverfahren entlastet.
Sich bei Personalentscheiden einzig auf die Intuition zu verlassen, ist aus personalpsychologischer Sicht nicht mehr wettbewerbs- und zukunftsfähig und birgt Risiken in sich. Eine Investition in eine professionalisierte und individuell massgeschneiderte Personalgewinnung und -auswahl setzt klare Zeichen: Die Wertschätzung der Pflege drückt sich auch in der Investition in ein zeitgemässes Personalmanagement aus.
(Quelle: Sonntagszeitung, 10.10.2010)